„Sonus Loci“ Multikanal Konzert im Ulmer Münster
Das Sichtbare bildet die Form eines Werkes. Das Nicht-Sichtbare macht seinen Wert aus (Lao Tse).
Wenn jemand weiß, wie das Münster klingt, dann ist es Tabea Frey. Schließlich ist es der Beruf der Pfarrerin, die Kirche regelmäßig zu ‚besprechen‘. Das Hauptschiff, sagt sie, habe einen langen Nachhall. „Aber der Chorraum ist ein Sprachraum, der ist für mich wie Butter.“ Am Konzertabend hat sie deshalb nicht von der Kanzel geredet, sondern von diesem „intimen Raum“ aus.
Wort und Raum sollte eine ganz besondere Verbindung eingehen an diesem Abend, den die Geistliche mit fünf Mitstreitern ins Werk setzten. Beziehungsweise in Klang, denn Worte waren nur ein Element des vierteiligen Konzerts „Sonus loci“, konzipiert zum 125-jährigen Münsterturmjubiläum. „Ein Raum, der schon klingt, wird zum Klingen gebracht,“ so erklärt ihn Frey.
Die Idee stammt vom Komponisten Klaus Hollinetz, der mit dieser Art von Konzepten schon früher Erfahrungen sammeln konnte, sagt Projektleiterin Elisabeth Haselberger. Die Blockflötistin bestritt den musikalischen Teil des Konzerts zusammen und im Wechsel mit Jürgen Grözinger an den Percussions und Alexander Moosbrugger an den Orgeln. Die Tontechnik und das Sound Design übernahm Andreas Usenbenz und Komponist Hollinetz stand als eine Art geistlicher DJ am Pult. Grundlage sind die Ergebnisse „akustischer Vermessungen“, die Hollinetz schon lange zuvor unternommen hat, wie Haselberger erklärt. Aufnahmen mit den Mitwirkenden hat er zu 20-Kanal-Soundtracks verarbeitet, zu denen die Musiker wiederum spielen und improvisieren werden. „Es sind keine starren Module, wir haben die Möglichkeit, damit kreativ umzugehen,“ sagt Haselberger. Das Gehen darf man wörtlich nehmen: Die Musik führte ihre Zuhörer an vier verschiedene Orte im Münster, das immer anders antwortete.
Damit sich das Münster so ausgesprochen vielseitig artikulieren konnte, wurde eine für das Gotteshaus wohl bisher sehr selten erforderliche Materialschlacht in Gang gesetzt. Tausende Meter Kabel wurden gezogen, um die einzelnen Beschallungszonen signaltechnisch zu versorgen. Um eine möglichst homogene Wiedergabe der jeweiligen Musikanteile zu erreichen, wurden baugleiche Lautsprecher, 20 TX-2A an ihrer Zahl, gemäß der vorangegangenen akustischen Vermessungen platziert und angesteuert. Klaus Hollinetz, Komponist, Klangkünstler und Dozent am Institut für elektronische Musik in Graz, neigt in seiner Arbeit zum Perfektionismus. „Mit schnellen Ergebnissen bin ich nicht zufrieden,“ sagt er 2005, nach dem er den Landeskulturpreis des Landes Oberösterreich erhielt.
„Ich bin ja nach dem Konzert mehrfach angesprochen und gefragt worden, wie denn dieser beinahe unheimlich klare ‚Sound‘ zustande gekommen wäre. Das liegt natürlich auf der Kompositionsseite an den verwendeten Algorithmen zur Klangbearbeitung und an der Qualität des Ausgangsmaterials, bzw. an der Mikrophonierung, sagt Klaus Hollinetz und fährt fort: „Im Fall einer Live Aufführung liegt es aber in erster Linie an der Qualität des verwendeten technischen Materials zur akustischen Wiedergabe, an den verwendeten Lautsprechern.“
„Wir haben für Sonus Loci im Ulmer Münster 14 Lautsprecher im Hauptraum und 6 weitere im Chorraum verwendet, die mit eigenen Signalen einzeln angesteuert und geregelt wurden,“ erinnert sich der Komponist. „Das bedeutet aber auch, dass im Extremfall ein jeder einzelne dieser Lautsprecher in der Lage sein muss, die gesamte Last der Beschallung quasi im Alleingang zu bewältigen. Das Beschallungskonzept von Sonus Loci sieht ja keine PA-Anlage im klassischen Sinn vor, sondern ist eigentlich ein rein ortsbezogenes elektro-akustisches Instrument, dass als solches ‚gespielt‘ wird.“
Klaus Hollinetz freut sich: „Wir hatten das Glück dafür den Typ TX-2A von Lambda Labs verwenden zu können, immer noch relativ kleine, leicht handhabbare Lautsprecher. Sie besitzen auch den Vorteil von zwei unterschiedlichen gewinkelten Abschrägungen, die es möglich machen, die Lautsprecher schräg nach oben ‚strahlend‘ als Bodenmonitor mit eigenem Monitorpreset einzusetzen. Wir haben für das Sonus Loci Konzert die Lautsprecher, die wir alle am Boden situiert hatten, nicht direkt ins Publikum gerichtet, sondern durch eine indirekte Beschallung den Raum angeregt. Die Aussenwände wurden von 8 Lautsprechern in etwa 10m Entfernung in verschiedenen Winkeln ‚bestrahlt‘ und die weiteren 6 Lautsprecher nutzten die dicken, mehrfach mit Innenwölbungen versehenen Innensäulen mit ca. 2m Abstand als Schallbrechung und Verteilung. Dadurch entstanden recht unterschiedliche akustische Zonen, die in der Komposition mit berücksichtigt worden waren. Der sehr lange, aber klar definierte Nachhall des Kirchenraumes wird so auf unterschiedliche Weise ins Spiel gebracht,“ führt Hollinetz aus.
„Mit den Lambda Labs Lautsprechern konnte trotz dieser unüblichen und ungewohnten Aufstellung ein ganz klares und dennoch beinahe magisches Klangbild erzeugt werden. Viele Lautsprecher erzeugen ja den gewünschten Schalldruck mit ebensolchen, mit Druck. Ein Phänomen, dass man ganz stark wahrnimmt und das beim Zuhörer oft auch das Gefühl einer Anstrengung aufkommen lässt,“ sagt der Oberösterreicher. „Lautsprecher, die im PA Bereich Verwendung finden, haben oft ganz charakteristische Eigenschaften, was aber ihre Verwendung für spezielle Zwecke einschränkt. Für ein ‚Instrument‘, wie das für Sonus Loci entworfene, brauche ich aber Lautsprecher, die sowohl im leisen Bereich als auch im lauten Bereich die selbe Genauigkeit und Mühelosigkeit an den Tag legen,“ grenzt Klaus Hollinetz ein. „Nichts ist schlimmer, als wenn man spürt, wenn die leisen, diffizilen Passagen ‚im technischen Nebel‘ verschwinden. Leider scheint das bei den meisten Lautsprechern heutzutage die Regel zu sein.“
„Die Mühelosigkeit mit der die TX-2A die von ihnen geforderten Aufgaben meisterten, ließen in keinem Fall dieses Gefühl eine Anstrengung, einer Angestrengtheit, aufkommen, im Gegenteil, man könnte meinen, Dynamik wäre etwas ganz natürliches. Das Klangbild blieb vollkommen stabil, irrespektive der geforderten Lautstärke,“ betont der studierte Klangkünstler.
„Es mag ja sein, dass die TX-2A, die hier im Vollbereichmodus arbeiteten und auch den gesamten Tieftonanteil übernehmen mussten, von der geforderten Lautstärke unterfordert waren, also noch viel lauter können, und es mag auch sein, dass der von mir geforderte Dynamik-Spielraum bei klassischen Beschallungsaufgaben eine eher unwichtige Rolle spielt, aber genau diese, für das Spiel notwendigen akustischen Bereiche finden zu können, ohne an den eingeschränkten Möglichkeiten der Lautsprecher hängen zu bleiben, ist für mich ein Qualitätskriterium, dass gar nicht hoch genug zu bewerten ist,“ sagt Hollinetz.
„Zusätzlich zum dynamischen Spielraum, kommt die mühelose ‚Schnelligkeit‘, mit der diese Lautsprecher den dynamischen Bewegungen folgen können. Auch hier bleibt die Klarheit der Impulse vollständig bestehen und diese werden nicht ‚gequetscht‘, wie auch das heute vielfach der Fall ist. Es hat mich erstaunt, dass trotz der eher klassisch konventionellen Technik so viel Know-How in diesen Lautsprechern steckt, dass eine neue Ebene der Klangqualität errreicht werden kann,“ merkt Klaus Hollinetz an. „Und muss ich noch sagen, dass Rauschen, Knistern, oder andere ‚typische‘ Begleiterscheinungen üblicher PA-Anlagen für unser Sonus Loci Setup überhaupt kein Thema waren?“
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Technische Details
Was | 20 x TX-2A |
Wo | Ulmer Münster, Münsterplatz 21, 89073 Ulm, Deutschland |
Website | www.ulmer-muenster.de |
Systembetreuung | Klaus Hollinetz, Andreas Usenbenz |